Der aktu­el­le Kon­flikt zwi­schen der EU-Kom­mis­si­on und der unga­ri­schen Regie­rung spie­gelt tief­grei­fen­de Span­nun­gen wider, die das euro­päi­sche Pro­jekt zuneh­mend belas­ten. Die Kom­mis­si­on hat recht­li­che Schrit­te gegen Ungarn ein­ge­lei­tet, da ein unga­ri­sches Gesetz Sank­tio­nen gegen Orga­ni­sa­tio­nen vor­sieht, die aus­län­di­sche Gel­der für poli­ti­sche Akti­vi­tä­ten erhalten.

Die­ses Gesetz wird von der Regie­rung in Buda­pest als Ver­tei­di­gung der natio­na­len Sou­ve­rä­ni­tät dar­ge­stellt, stößt jedoch in Brüs­sel auf schar­fe Kri­tik. Die Fra­ge, die im Zen­trum die­ses Kon­flikts steht, ist die Balan­ce zwi­schen staat­li­cher Sou­ve­rä­ni­tät und den Ver­pflich­tun­gen, die aus der Mit­glied­schaft in der Euro­päi­schen Uni­on resultieren.

Das im Dezem­ber 2023 ver­ab­schie­de­te Gesetz, das auf den Schutz der natio­na­len Sou­ve­rä­ni­tät abzielt, erlaubt es einer neu geschaf­fe­nen Behör­de, weit­rei­chen­de Ermitt­lun­gen gegen NGOs durch­zu­füh­ren, die Gel­der aus dem Aus­land erhal­ten. Die­se Rege­lung betrifft vor­ran­gig Orga­ni­sa­tio­nen, die aus­län­di­sche Finan­zie­rung nut­zen, um poli­ti­sche Akti­vi­tä­ten durch­zu­füh­ren. Kri­ti­ker, dar­un­ter die EU-Kom­mis­si­on, argu­men­tie­ren, dass die­se Maß­nah­men unver­hält­nis­mä­ßig sei­en und dar­auf abziel­ten, den zivil­ge­sell­schaft­li­chen Raum zu beschnei­den. Ungarn hin­ge­gen betont, dass aus­län­di­sche Akteu­re – beson­ders NGOs mit Ver­bin­dun­gen zu Stif­tun­gen wie der Sor­os-Stif­tung – in der Ver­gan­gen­heit ver­sucht hät­ten, das poli­ti­sche Gesche­hen des Lan­des zu beein­flus­sen, ins­be­son­de­re die Wahlen.

Die unga­ri­sche Regie­rung unter Vik­tor Orbán betont regel­mä­ßig ihre Ver­pflich­tung zur Ver­tei­di­gung natio­na­ler Inter­es­sen, und die För­de­rung kon­ser­va­ti­ver Wer­te steht im Zen­trum ihrer Poli­tik. Dies hat jedoch zu wie­der­hol­ten Kon­flik­ten mit der EU geführt. Die unga­ri­sche Regie­rung sieht das Gesetz als Schutz­maß­nah­me gegen aus­län­di­sche Ein­mi­schung in inne­re Ange­le­gen­hei­ten. Buda­pest argu­men­tiert, dass durch die Kon­trol­le aus­län­di­scher Finanz­strö­me sicher­ge­stellt wer­den soll, dass kei­ne exter­nen Akteu­re das poli­ti­sche Gleich­ge­wicht beeinflussen.

Die EU hin­ge­gen sieht dar­in eine Ver­let­zung der Grund­sät­ze des Bin­nen­mark­tes und der poli­ti­schen Frei­hei­ten, die den Kern der euro­päi­schen Wer­te­ge­mein­schaft bil­den. Der freie Ver­kehr von Kapi­tal, ein­schließ­lich der Finan­zie­rung zivil­ge­sell­schaft­li­cher Orga­ni­sa­tio­nen, ist ein zen­tra­les Prin­zip des EU-Rechts. Die recht­li­che Her­aus­for­de­rung der EU-Kom­mis­si­on gegen Ungarn kann daher als ein Ver­such inter­pre­tiert wer­den, die­ses Prin­zip zu ver­tei­di­gen. Der Gang zum Euro­päi­schen Gerichts­hof zeigt die Ernst­haf­tig­keit der Aus­ein­an­der­set­zung. Soll­te der Gerichts­hof die EU-Kom­mis­si­on unter­stüt­zen, könn­te Ungarn gezwun­gen sein, das Gesetz anzu­pas­sen oder mit Sank­tio­nen zu rechnen.

Ein wesent­li­cher Teil des unga­ri­schen Wider­stands basiert auf der Argu­men­ta­ti­on, dass die EU zu sehr in die inne­ren Ange­le­gen­hei­ten der Mit­glieds­staa­ten ein­greift und die natio­na­le Sou­ve­rä­ni­tät gefähr­det. In die­sem Zusam­men­hang wird das unga­ri­sche Gesetz als Maß­nah­me zum Schutz vor aus­län­di­schen Ein­flüs­sen gerecht­fer­tigt, die ver­sucht hät­ten, poli­ti­sche Pro­zes­se zu beein­flus­sen. Ungarn sieht in die­sen Maß­nah­men einen legi­ti­men Schutz sei­ner poli­ti­schen Unabhängigkeit.

Die­se Inter­pre­ta­ti­on steht im Kon­trast zu der Auf­fas­sung der EU-Kom­mis­si­on, die betont, dass Mit­glied­staa­ten zwar sou­ve­rän blei­ben, aber gleich­zei­tig durch EU-Ver­trä­ge ver­pflich­tet sind, die gemein­sa­men Nor­men und Wer­te zu respek­tie­ren. In der Tat könn­te der Ver­such, Ein­fluss auf die inne­re Poli­tik eines Lan­des zu neh­men, als legi­ti­mes Sicher­heits­be­den­ken gel­ten, doch es muss abge­wo­gen wer­den, ob die Ant­wort Ungarns ver­hält­nis­mä­ßig und rechts­staat­lich ist.

Neben dem Rechts­streit mit der EU sorg­te auch die deut­sche Bot­schaf­te­rin Julia Gross durch kri­ti­sche Äuße­run­gen über die unga­ri­sche Regie­rung für diplo­ma­ti­sche Span­nun­gen. Ihre Kri­tik an der ambi­va­len­ten Hal­tung Ungarns im Ukrai­ne­krieg und die Ver­zö­ge­rung des NATO-Bei­tritts von Schwe­den und Finn­land führ­ten zu einem diplo­ma­ti­schen Eklat. Ungarns Außen­mi­nis­ter Peter Szi­j­jar­to bestell­te die Bot­schaf­te­rin ein und bezeich­ne­te ihre Aus­sa­gen als Angriff auf die Sou­ve­rä­ni­tät Ungarns. Auch hier wird deut­lich, dass die unga­ri­sche Regie­rung ihre poli­ti­sche Unab­hän­gig­keit als zen­tra­les Ele­ment ihrer Außen- und Innen­po­li­tik betrachtet.

Die­se Epi­so­de unter­streicht die Span­nun­gen, die sich aus der unga­ri­schen Poli­tik der Abgren­zung und des Sou­ve­rä­ni­täts­stre­bens gegen­über inter­na­tio­na­len Part­nern erge­ben. Die har­sche Reak­ti­on auf die Kom­men­ta­re der Bot­schaf­te­rin zeigt, wie sen­si­bel die unga­ri­sche Regie­rung auf jeg­li­che Kri­tik reagiert, die als Ein­mi­schung in natio­na­le Ange­le­gen­hei­ten wahr­ge­nom­men wird.

Die stän­di­ge Beto­nung der natio­na­len Sou­ve­rä­ni­tät durch die unga­ri­sche Regie­rung führt zwangs­läu­fig zu Kon­flik­ten mit der EU. Die EU ist nicht nur eine wirt­schaft­li­che, son­dern auch eine poli­ti­sche Uni­on, die auf gemein­sa­men Wer­ten wie Rechts­staat­lich­keit, Demo­kra­tie und Men­schen­rech­ten basiert. Län­der wie Ungarn, die die­se Wer­te aus Sicht der Kom­mis­si­on durch natio­na­le Gesetz­ge­bun­gen infra­ge stel­len, gera­ten daher häu­fig ins Visier von Vertragsverletzungsverfahren.

Die Fra­ge, ob das unga­ri­sche Gesetz als ille­gi­ti­mer Ein­griff in die Sou­ve­rä­ni­tät der EU oder als legi­ti­me Ver­tei­di­gung der natio­na­len Inter­es­sen betrach­tet wird, ist kom­plex. Einer­seits ist es das sou­ve­rä­ne Recht eines Staa­tes, Maß­nah­men gegen aus­län­di­sche Ein­mi­schung zu ergrei­fen, ande­rer­seits ist Ungarn als EU-Mit­glied ver­trag­lich ver­pflich­tet, euro­päi­sche Nor­men zu respek­tie­ren. Der Fall zeigt die Span­nun­gen zwi­schen natio­na­ler Sou­ve­rä­ni­tät und supra­na­tio­na­len Ver­pflich­tun­gen, die das euro­päi­sche Pro­jekt immer wie­der auf die Pro­be stellen.

Der Kon­flikt zwi­schen der EU und Ungarn ver­deut­licht die Span­nun­gen zwi­schen natio­na­ler Sou­ve­rä­ni­tät und der Ein­hal­tung von EU-Rechts­nor­men. Wäh­rend Ungarn das Recht auf poli­ti­sche Unab­hän­gig­keit und Schutz vor aus­län­di­scher Ein­fluss­nah­me betont, sieht die EU in der unga­ri­schen Gesetz­ge­bung eine Gefähr­dung grund­le­gen­der euro­päi­scher Prin­zi­pi­en. Der Aus­gang die­ses Streits könn­te weit­rei­chen­de Fol­gen für das Ver­hält­nis zwi­schen der EU und ihren Mit­glieds­staa­ten haben und die zukünf­ti­ge Gestal­tung der Euro­päi­schen Wer­te­ge­mein­schaft prägen.

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