Ein kürzlich ausgestrahltes Fernsehinterview mit Thomas Haldenwang, dem Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz, hat zu Diskussionen über die Rolle und Neutralität des Nachrichtendienstes geführt. In dem Interview äußerte Haldenwang, dass nicht allein der Verfassungsschutz für die Senkung der Umfragewerte der AfD zuständig sei. Diese Aussage hat sowohl inhaltlich als auch in Bezug auf die Wahrnehmung des Amtes für Kontroversen gesorgt.
Die Äußerung von Haldenwang lässt darauf schließen, dass er den Verfassungsschutz als politischen Akteur betrachtet. Dies steht jedoch nicht im Einklang mit seiner eigentlichen Aufgabe. Der Verfassungsschutz ist dafür verantwortlich, Informationen zu sammeln und auszuwerten – nicht mehr und nicht weniger. Die Verfolgung repressiver Maßnahmen fällt in den Zuständigkeitsbereich der Strafverfolgungsbehörden und erfordert entsprechende Gesetze.
In den vergangenen Jahren hat sich der Verfassungsschutz jedoch zunehmend in eine Art „Haltungsamt“ verwandelt – und das nicht nur im Umgang mit der AfD. Während der Corona-Pandemie wurden insbesondere Bürgerinnen und Bürger, die staatliche Maßnahmen in Deutschland kritisierten, als „verfassungsschutzrelevante Delegitimierer des Staates“ eingestuft und nachrichtendienstlich überwacht.
Laut dem neuesten Verfassungsschutzbericht hat das Thema seit dem Ende der Pandemie an Mobilisierungskraft verloren, und das „Delegitimierungsspektrum“ hat nach neuen Themen gesucht. Dabei wurde etwa die „Agitation gegen staatliche Klimaschutzmaßnahmen“ diskutiert. Kritik an der Klimaschutzpolitik der Bundesregierung wird somit ebenfalls dem „Delegitimierungsspektrum“ der sogenannten Querdenker-Bewegung zugeordnet.
Wo genau zieht der Verfassungsschutz die Grenze für zulässige Kritik am Staat? Auf seiner Website heißt es: „Radikale Ansichten kritischer Bürgerinnen und Bürger geben dem Verfassungsschutz keinen Anlass, aktiv zu werden. Sie fallen unter die Meinungsfreiheit, sind Ausdruck politischer Teilhabe und somit von der freiheitlichen demokratischen Grundordnung geschützt.“ Erst wenn radikale Meinungen in extremistische Bestrebungen übergehen, ergibt sich eine Relevanz für den Verfassungsschutz.
Die Diskussion um die Neutralität des Verfassungsschutzes und seine Rolle als politischer Akteur ist von großer Bedeutung für die demokratische Grundordnung. Ein Nachrichtendienst sollte seine Aufgaben erfüllen, ohne politisch motiviert zu handeln oder den Eindruck von Beeinflussung zu erwecken. Eine klare Abgrenzung zwischen dem Sammeln von Informationen und der Strafverfolgung ist unerlässlich, um das Vertrauen der Bevölkerung zu wahren und die demokratischen Prinzipien zu stärken.